25.06.09

Technik im Alltag: Das Duschklo
Ärzte empfehlen Wasser, die Deutschen benutzen lieber Papier. Kommt das Duschklo? Ein Akzeptanztest
Toilettenpapier ist nicht der Sauberkeit letzter Schluss. Experten für die betroffene Körpergegend mäkeln: Trockenes Papier reinige nicht gut genug, lasse oft Reste zurück, welche die Haut schädigten. Feuchtes Klopapier hingegen könne selbst Reizungen oder gar Entzündung auslösen, weil es Konservierungs- und Duftstoffe enthalte.
Und egal ob trocken oder feucht, Papier verstopft die Kanalisation. Für ein hygienisches Ende des Stoffwechsels empfehlen Ärzte schlicht Wasser. Doch die in Indien und den arabischen Ländern erprobte »Linke-Hand-Methode« - Wasser plus Wischen - konnte sich in der westlichen Hygienekultur bisher nicht durchsetzen. Jetzt bereichert eine berührungslose Lösung auch in Deutschland die Sanitärtechnik: das Duschklo, die Synthese aus Toilette und Bidet.
Erfunden hat's ein Schweizer, vor über fünfzig Jahren. Populär wurde es in Japan in den Achtzigern; dort ist mittlerweile schon jeder zweite Haushalt mit einem vollautomatischen Dusch-WC ausgerüstet. Jetzt drängt Japans Marktführer Toto auf den europäischen Markt. Im Frühjahr hat er sein Washlet auf der Weltleitmesse für Toilettenartikel vorgestellt, der International Sanitary and Heating in Frankfurt. Vom Sommer an wird das Hygienegerät auch hierzulande verkauft.
Doch werden sich die Deutschen, die Studien zufolge ihr Klopapier mehrheitlich akkurat falten, auf die Technologie einlassen? Wir machten den Test. Die Versuchsanordnung: ein Duschklo-Aufsatz Modell Vebra 1500 Air PowerWash (neu auf dem deutschen Markt, hergestellt von Daewon Bidet in Südkorea); zehn Probanden männlichen und weiblichen Geschlechts; eine Kiste Bier; eine Kiste Limonade; reichlich Verpflegung. Versuchszeitraum: ein langer Abend.
Die Montage hatte sich simpel gestaltet. Klobrille abschrauben, Dusch-WC-Aufsatz dranschrauben, Steckdose suchen. (In japanischen Haushalten ist meist direkt neben der Toilette eine Stromquelle installiert.) Gesichert wird die Konstruktion mit einem Personenschutz-Zwischenstecker, der, wenn nötig, die Leitung unterbricht. Assoziationen zum »elektrischen Stuhl« sollen erst gar nicht aufkommen.
Nur die Wasserversorgung wurde kompliziert. Da sich kein Anschluss außerhalb des Spülkastens befand, war dieser zu öffnen und ein mitgeliefertes T-Stück am Zulaufrohr anzuschließen, damit das Duschklo Wasser aus der Leitung abzweigt. Für den Dauergebrauch bei harten Wasserqualitäten wurde ein Ionen-Filter mitgeliefert. Für die Versuchsreihe erschienen uns Ionen im Intimbereich tolerabel.
Aus dem Versuchsprotokoll: »nach zwei Stunden Testdauer die erste Erkenntnis: Niemand will zum Klo. Offensichtlich bestehen Berührungsängste.«
Dabei hat Vebra einiges zu bieten. Beheizter Sitz, warmer Wasserstrahl in Rektal- (für alle) und Mittelposition (für Frauen), wahlweise pulsierend (stark/schwach) oder massierend (vor/zurück) plus Gebläse für die anschließende Trocknung. Die Temperatur der Brille, des Wassers und der Luft sowie Strahlposition und -druck sind in mehreren Stufen regelbar. Die Auswahl erfolgt handlich per Funkfernbedienung. Programmierfreunde können sogar vier Benutzerprofile speichern; das Dusch-WC fährt dann auf einen einzigen Knopfdruck das hinterlegte Programm ab.
»Das Bier wirkt allmählich. Die erste Probandin tritt mutig ans Klo, der Rest lauscht gespannt.«
Für solche Fälle installieren Japaner zusätzlich eine »Geräuschprinzessin«. Die Otohime, benannt nach der Tochter des Meeresgottes Ryujin, ahmt das Geräusch der Wasserspülung nach und übertönt so andere Lautäußerungen. Das Gerät wurde in den Achtzigern zum Wassersparen eingeführt, weil Japanerinnen während des Toilettengangs gern dauerspülten. Inzwischen ist es in viele Washlets integriert.
»Die Testperson kommt mit gerümpfter Nase aus dem Bad. Weitere Kommentare sind ihr nicht zu entlocken. Das wissenschaftliche Sitzungsprotokoll landet ordentlich gefaltet in der dafür vorgesehenen Kiste. Weitertrinken.«
Ärzte sind leichter vom Dusch-WC zu überzeugen. Proktologen, die für dieses Gebiet zuständigen Spezialisten, loben die gründliche und reizarme Säuberung. »Die seifenfreie Analdusche ist die beste Form der Reinigung«, meint Bernhard Lenhard, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Proktologie in der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft. Besonders bei Hämorrhoiden sei die schmerzfreie Säuberung mit Wasser von Vorteil. Einige Hersteller preisen einen scharfen Strahl auch als Mittel gegen Verstopfung an. Vebra verbirgt dies hinter dem wohlklingenden Fachbegriff »Enema« (Einlauf), auf der Fernbedienung signalorange markiert. »Das ist totaler Quatsch«, sagt Lenhard. »Mit dem Wasserstrahl allein funktioniert das nie und nimmer, rein anatomisch betrachtet.«
Andere medizinische Anwendungen bieten noch Potenzial. In Japan gibt es inzwischen Hightech-Geräte, die Zuckerwerte im Urin messen, außerdem Puls, Blutdruck und Körperfettanteil registrieren und diese Daten per Mobiltelefon direkt dem Hausarzt übermitteln.
»Ein spitzer Schrei dringt vom stillen Örtchen. Als die Probandin es verlässt, hat sie sich schon wieder gefangen. Die spätere Sichtung der Fragebögen lässt den Grund für das Entsetzen erahnen. Von einem Schockeffekt ist die Rede: Erst passiert lange nix, dann schießt das Wasser gewaltig mit Schmackes raus.«
Zwar kann man den Wasserdruck regulieren, völlig intuitiv ist die Steuerung aber nicht. Trotz Gebrauchsanweisung kam es wiederholt zu Missverständnissen zwischen Mensch und Technik.
Offenbar bedarf es einer Eingewöhnungsphase. Auch die Japaner freundeten sich erst zehn Jahre nach der Einführung mit der Hygiene-Technik an. »Hierzulande ist das noch ein Nischenprodukt«, sagt Luise Brandl, Geschäftsführerin von Vebra. Etwa 200 Geräte verkaufe sie pro Monat in Deutschland. Am meisten könnten alte, kranke und behinderte Menschen, die auf Hilfe beim Toilettengang angewiesen sind, vom Dusch-WC profitieren. Die Kranken- und Pflegekassen erkennen es als medizinisches Hilfsmittel an.
»Das Bier ist geleert, die Verpflegung aufgezehrt, alle Probanden haben sich notgedrungen aufs Duschklo getraut.«
Die Auswertung der Sitzungsprotokolle ergibt: Sauber macht das Dusch-WC, und eine knappe Mehrheit der Testpersonen bezeichnete sich während des »Bedienvorgangs« (Zitat Gebrauchsanleitung) auf einer Skala von »glücklich« bis »entsetzt« als eher glücklich. Hauptkritikpunkt: Der Fön trocknet nicht ausreichend, »es muss nachpoliert werden«. Klopapier spart die Technik also nicht unbedingt. Und: Das Waschprogramm dauert zu lange - zwei Minuten Dusche, drei Minuten Gebläse.
Die Männer sind überwiegend fasziniert - von der Technik. Die Frauen reagieren eher irritiert. Aber nur ein einziger Proband würde sich das Gerät selbst kaufen. Das mag auch am Preis liegen: rund 1000 Euro. Die »Linke-Hand-Methode« ist deutlich billiger.
Stefanie Schramm | © DIE ZEIT, 25.06.2009 Nr. 27
Diesen Text finden Sie hier
http://www.zeit.de/2009/27/TSP-Haushalt-WC-Dusche